Dienstag, 22. Oktober 2013

Rubel? Knete? Nö: KOHLE!

... oder genauer "BRASS", wie die englischsprachige Originalausgabe heisst - was aber mit dem ebenso doppeldeutigen "Kohle" äusserst passend übersetzt wurde.


In welcher Sprache auch immer - wir haben vor uns eine Karte, die den Nordwesten Englands darstellt - die Wiege der kurz bevorstehenden Industrialisierung, welche Europa, und grosse Teile der übrigen Welt, demnächst vom Mittelalter in die Neuzeit katapultieren wird (mit allerlei Nebenwirkungen). Zu Beginn des Spiels ist alles "potentiell". In Liverpool können "potentiell" eine Menge Häfen gebaut werden, weil da der Zugang zum Meer günstig ist. Die Gegend um Wigan ist reich an Kohlevorkommen, weswegen dort "potentiell" nach Kohle gegraben werden kann. Der Osten der Karte ist leicht mit Baumwolle versorgbar, weswegen dort primär Spinnereien ansässig werden. Und an einigen wenigen Orten besteht sogar die Möglichkeit, Eisenhütten zu errichten, welche massgeblich für den kommenden technischen Fortschritt verantwortlich sein werden...

BRASS ist eigentlich für 3-4 Spieler - glücklicherweise gibt es aber inzwischen (auf Boardgamegeek) eine Variante für 2 Spieler, bei welcher die Karte verkleinert und die Märkte leicht angepasst werden. An den Regeln wird ansonsten aber nicht geschraubt. Zoomen wir also mal kurz etwas näher ran...

 

Die abgedeckten Orte sind in der 2er-Variante nicht im Spiel. Oben links sind 2 Nachfrageleisten für Kohle und Eisen sichtbar. Beides wird momentan kaum benötigt, ist also entsprechend billig zu haben. Das wird sich vermutlich rasch ändern. Unten rechts sieht man die Nachfrage für Baumwolle an den internationalen Märkten. Momentan ist die noch sehr hoch - Baumwolle ist (noch) König. In Kürze wird der Preis jedoch einbrechen...

Zwischen den Orten sind (ebenfalls) potentielle Verbindungen eingezeichnet. Das Spiel verläuft in zwei "Phasen". In der ersten Phase können nur Kanäle ausgebaut werden, um Kohle und Baumwolle zu transportieren. In der zweiten Phasen reichen die Transportkapazitäten der Lastschiffe dann nicht mehr aus, und die Eisenbahn hält Einzug - was mehr und vor allem effizientere Verbindungen ermöglicht. Eisen ist dabei die Ausnahme, dieses wird einfach über die Karte "teleportiert" (die Erklärung: Die produzierten Mengen sind noch so gering, dass sie per Karren über das nicht dargestellte Strassennetz verschoben werden können. In Wahrheit handelt es sich eher um eine aus Gründen der Spielmechanik sinnvolle Entscheidung des Autors).

Jeder Spieler erhält Karten, welche für diverse Aktionen eingesetzt werden können. Diese sind:

- Industrie bauen (benötigt geeigneten Bauplatz, Geld, allenfalls Rohstoffe)
- Forschung betreiben (2 beliebige Industriezweige "modernisieren")
- Kanal oder Schienen bauen (je nach Phase)
- Baumwolle verkaufen (an den Binnenmarkt oder exportieren)
- Kredit aufnehmen (muss auch mal sein)


Bild: Wir befinden uns in der Kanalphase des Spiels. In Liverpool wurde ein erster Hafen gebaut, der bereits gewinnbringend arbeitet. Gleiches gilt für eine erste Kohlemine in Wigan, eine Eisenhütte in Bolton und je eine Spinnerei in Blackburn und Manchester.
Der Hafen in Warrington hingegen wartet noch auf Exportgüter, und auch die Eisenhütte in Preston muss noch Eisen absetzen, bevor sie ihrem Betreiber Gewinn bringt.







Das reizvolle am Wirtschaftsmodell von BRASS ist die gegenseitite "Verzahnung" der einzelnen Industrien. Kohle ermöglicht den Bau von Schienen und höher entwickelten Fabriken, Eisen ermöglicht die Modernisierung der Produktion und wird ebenfalls für bessere Fabriken benötigt, Spinnereien bringen sowohl viel Geld wie auch massig Siegpunkte, aber ohne Kohle und Eisen vergammeln die Vorräte in den Lagerhäusern, denn für den Absatz der Baumwolle werden Transportwege und Häfen benötigt. Und der Clou: die Spieler sind Kooperationspartner und Konkurrenten gleichzeitig.

Dieser letzte Punkt war im Spiel zu zweit leicht problematisch - was man BRASS aber nicht anlasten darf, da es eben eigentlich ab 3 Spielern gedacht ist. Mit 3 oder vier Spielern wird voraussichtlich eine stärkere Spezialisierung der Spieler stattfinden (was den Bau höher entwickelter Fabriken erlaubt), wodurch auch die gegenseitige Abhängigkeit steigen dürfte.


Bild: Wir befinden uns in der Eisenbahnphase - Indistriebetriebe sind mittlerweile wie Pilze aus dem Boden geschossen. Die Häfen Liverpools kommen kaum noch zur Ruhe - sogar eine Schiffswert hat sich dort mittlerweile angesiedelt. In Kürze wird wohl auch in Warrington ein Hafen gebaut werden.



Bild: .. und auch der Osten der Karte brummt! Manchester (unten rechts) hat sich zur wichtigen Industriestadt mit Textilfabriken (sogar eine der höchsten Entwicklungsstufe 4), einer Kohlemine und einer Eisenhütte entwickelt. Bury bietet noch Platz für entweder eine Kohlemine oder eine Textilfabrik, die Verbindung nach Manchester ist noch nicht gebaut.


Am Ende hat die rote Spielerin mit 153 zu 136 Punkten über den gelben Spieler triumphiert.


Der Sieg war primär auf die hoch entwickelten Textilfabriken zurückzuführen, die rot im Multipack gebaut hat. Auf der anderen Seite fühlte sich der (nette) gelbe Spieler eher dem sozialen Gedanken verpflichtet und hat völlig selbstlos Eisen produziert und Bahnstrecken gebaut, was unerlässlich, aber eben weniger gewinnbringend ist.

Im Ernst: Natürlich blendet BRASS wichtige Aspekte der Industrialisierung aus. Wäre BRASS ein Spiel aus dem Hause GMT, dann hätte man wohl für jede Mine die wöchentlichen Schichtpläne zu erstellen und müsste sich mit der unzufriedenen Arbeiterklasse herumprügeln. Darauf verzichtet BRASS und erzählt stattdessen die Geschichte ausschliesslich aus Industriellensicht. Mit überschaubarem Regelwerk, ebensolchem Zeitanspruch und nicht weniger spannend...

BRASS war zu zweit gut (!) - seinen eigentlichen Reiz dürfte es aber durch die Mischung aus Kooperation und Konkurrenz vor allem mit drei oder vier Spielern entfalten. Immerhin war auch so bereits zu erahnen, warum es als eines der Top-Wirtschaftsspiele überhaupt gilt...

Freitag, 11. Oktober 2013

Fetter Panda!

Die Beziehungen zwischen China und Japan sind historisch "schwierig". Vor diesem Hintergrund, beziehungsweise der gegenseitigen Annäherung, spielt "Takenoko". Was sich nun allerdings wie ein Intro zu einem weiteren "Wargame" anhören mag, rückt schon bald in aber sowas von weite Ferne...

Das Vieh guckt schon wieder so...
Wovon Takenoko nämlich WIRKLICH handelt sind ein mehr oder weniger verzweifelter Gärtner und ein fetter Panda. Das "Geschenk" des chinesischen Diplomaten an den japanischen Hof stellt sich nämlich schon sehr bald als verfressenes Vieh heraus, welches sich schnur-stracks über die kaiserlichen Gärten her macht. Etwas eigenwillig mag ja sein, dass dort ausschliesslich Bambus spriesst - und der auch noch in drei "Farben" - aber über dieses Detail wollen wir mal hinwegsehen.




Da ist die Welt noch halbwegs in Ordnung -
aber gleich machen sich beide
ans Werk ... jeder wie er kann ...
Takenoko beginnt praktisch ohne Spielbrett. Einziges ausliegendes Gartenteil ist ein Teich, auf dem sich der mit der Pflege des (zukünftigen) Gartens beauftragte Gärtner, sowie der üppige Panda befinden. Jeder der 2 bis 4 Spieler (wir habens bisher nur zu zweit ausprobiert) erhält drei Aufträge (Erinnerungen an "Zug um Zug" werden wach): Jeweils einen aus den Kategorien "Panda", "Garten" und "Gärtner". "Panda-Aufträge" geben vor, welche und wie viele Bambusstücke der Panda verspeisen möchte. "Garten-Aufträge" beziehen sich auf das Layout der Gartenteile (wobei nur bewässerte Teile zählen), "Gärtner-Aufträge" geben gewünsche "Wachstumskonfigurationen" der Bambuspflanzen vor.


In jeder Runde dürfen 2 Aktionen (normalerweise nur unterschiedliche) ausgeführt werden, ab der zweiten Runde spielt ausserdem das wechselhafte Wetter in Form eines Würfels eine nicht unwesentliche Rolle. Die möglichen Aktionen sind: Garten vergrössern, Gärtner in gerader Linie bewegen (wo er stehen bleibt, sowie in allen angrenzenden Feldern gleicher Farbe, wächst der Bambus - falls die Felder bewässert sind), Panda in gerader Linie bewegen (wo er stehen bleibt kommts zur Fress-Party), Bewässerungskanal errichten oder eine neue Auftragskarte ziehen. Dazu kommen dann noch diverse mögliche "Verbesserungen" wie Einzäunungen (da gibts für den Panda nix zu holen), Wassertanks (welche ein Bambusfeld automatisch bewässern) oder besonders gut gepflegte Gartenabschnitte (der Bambus wächst dort doppelt so rasch)

Der Gärtner ist gerade oben rechts fleissig, der Panda oben links... oder so...


Wer als erste(r) 9 Aufträge erfüllt hat (bei 2 Spielern) erhält durch die Gunst des Kaisers 2 Punkte extra, danach hat die Gegenspielerin noch einen letzten Zug. Wer die höhere Gesamtpunktzahl mit allen erfüllten (unterschiedlich schwierigen und damit punktebringenden) Aufträgen erreicht, darf den Panda mit nach Hause nehmen...

Da hat der Panda schon zünftig zugeschlagen...
  
Das könnte an diesen Auftragskarten liegen: friss je ein Bambusteil jeder Farbe für 6 Punkte (links), lege 2 grüne neben 2 rosa Bambusfeldern für 4 Punkte an (mitte) oder züchte eine grüne Bambuspflanze auf die Maximalhöhe von 4 Teilen (auf einem Feld ohne Verbesserungen) für 5 Siegpunkte.

Takenoko war nach einigen komplexeren Spielen mal wieder eher ein regeltechnisches Leichtgewicht.  Der französische Verlag "Matagot" hat in letzter Zeit einige tolle Spiele auf den Markt gebracht (Cyclades, Kemet...) und sich damit nebenher einen Namen für besonders schöne Ausstattungen gemacht. Auch Takenoko ist (nicht nur) optisch äusserst attraktiv und stimmig - allerdings noch kein Vergleich zu der in Essen 2013 erscheinenden Luxus-Spezialausgabe, die einfach nur GIGANTSICH daherkommt - allerdings auch einen stolzen (Sammler-) Preis aufweist. Auch ohne diese Super-Luxus-Version erhält man aber mit Takenoko "Standard" ein leicht verständliches, knackiges und sehr unterhaltsames Spiel, welches sich zu zweit in ca 30 Minuten problemlos absolvieren lässt und zu einer sofortigen Revanche einlädt.

Zu zweit ist die Erfüllung der Aufträge verhältnismässig leicht zu bewerkstelligen (was sicher zur kurzen Spielzeit beiträgt). Das Ganze ähnelt in dieser Konstellation deshalb eher einem Rennen, welches ausserdem durch das Ziehen der Auftragskarten vom Zufall nicht unwesentlich beeinflusst ist. Immmerhin: nicht erfüllte Aufträge geben keine Minuspunkte, da ist also "straffreies" Taktieren durchaus möglich. Aufgrund der Kürze ist der Zufallseinfluss auch nicht wirklich ein Problem, denn das Spiel unterhält so oder so ganz prima.

Mit mehr Spielerinnen dürften die individuellen Einflussmöglichkeiten auf das Geschehen reduziert und die Erfüllung der Aufträge schwieriger werden. Dadurch könnte sich der Fokus doch etwas verlagern. Wir sind auf jeden Fall schon sehr auf Takenoko in grösserer Besetzung gespannt ...